Luigi Barbaro: „Wien war Terra di Conquista“
Ein energischer Mann in den besten Jahren, Glencheck-Anzug und Marc-Jacobs-Brille, Windsor-Knoten und Erfolgsmanschetten: So beginnt ein Porträt über Luigi Barbaro auf seiner eigenen Homepage. An diesem Vormittag ist es kein Glencheck, sondern schlichtes Schwarz, in dem er noch schnell („dimmi, dimmi!“) in sein Handy spricht, ehe er Zeit für Fotos hat. „Ecco“, sagt er dann. Los geht's.
Dafür, dass Luigi Barbaro seit fast 40 Jahren (mit wechselnder Lokal-Zahl) in Wiens Gastronomie werkt, ist er immer noch mit großer Energie bei der Sache. Kommende Woche feiert er das Auch-schon-20-Jahr-Jubiläum seiner Regina Margherita, die Gault Millau wohl nicht nur wegen ihres Namens die „Königin unter Wiens Pizzerien“ nennt.
Ihre Lage im malerischen Innenhof des Palais Esterházy hat Barbaro dem Zufall zu verdanken, dass die Manager der zuständigen Immobilienfirma gern bei ihm im La Ninfea speisten und ihm die Location für ein neues Lokalprojekt anboten. Und seinem Gespür für Innenhöfe, das er schon in ähnlicher Manier (und bei gleichen Immobilieneigentümern) mit der Trattoria Martinelli im Palais Harrach bewiesen hatte. „Innenhöfe“, erinnert sich Barbaro, „waren damals bei Gastronomen nicht sehr beliebt, weil sie versteckt sind.“ In Italien hingegen, „in Firenze, Roma, Milano oder Napoli“, würden überall die Höfe historischer Palazzi fürs Gastgewerbe genutzt. Mittlerweile sind seine beiden „Oasen im Zentrum“ just jene zwei Lokale, die er bis heute behalten hat.
Gutes Gespür hatte der Neapolitaner schon 1980 bewiesen, als er als Anfang-Zwanzigjähriger zwischen Sommer- und Wintersaison einen Wien-Urlaub einlegte: „Der Schock war enorm“, berichtet er. „Wien war ein unglaubliches Dorf“, Pizzerien habe es praktisch nicht gegeben. Sein Urteil: „Una terra di conquista.“ Land, das es zu erobern galt.
Brutales Neapel
Dass er hoch hinaus wollte, wusste Barbaro zu diesem Zeitpunkt schon lang. Als viertes von fünf Kindern eines Pirelli-Arbeiters war er „in sehr einfachen Verhältnissen“ in Pozzuoli im Golf von Neapel aufgewachsen, 40 Quadratmeter hatte die Familie zur Verfügung, abends wurden die Betten ausgeklappt, den Tag verbrachte man draußen. In der Nähe lag La Ninfea, ein Lokal, in dem sich Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger die Reichen und Schönen trafen. Er habe fast tagtäglich stundenlang das Treiben dort beobachtet, erinnert sich Barbaro. „Wer kommt heraus, wer geht hinein? Die Kunden, die Limousinen... Ich wusste, das ist es, was ich will.“
Mit 13 ging er auf die Hotelfachschule, eine Entscheidung, die die Eltern wenig interessierte. „Bei fünf Kindern musste jeder sofort auf eigenen Beinen stehen.“ Dass Neapel ein brutales Umfeld ist, habe ihm rückblickend geholfen. „Es stärkt deine Bereitschaft zu kämpfen.“ Sehr genau, erinnert er sich, hätten gewisse Erwachsene damals das Aufwachsen der Kinder beobachtet. Wer Schwäche zeigte, war ein willkommener Kandidat für Kriminalität, Drogen und Prostitution.
Barbaro nutzte die Schuljahre mit ihren Praktika klug. „Ich wollte eine gute Ausbildung und habe mir gedacht, die kann ich nur in Top-Häusern kriegen.“ Später in Wien arbeitete der heutige Kommerzialrat drei Jahre lang schwarz, ehe er eine Arbeitsgenehmigung in der Tasche hatte. 1983 eröffnete er ein erstes Antipasti-Lokal in der Josefstadt, ab da ging es lang stets bergauf, 1998 hatte er „plötzlich sechs Lokale“. Als 2008 die Finanzkrise ausbrach, wurde dem dreifachen Familienvater das Risiko zu groß.
Heute reichen ihm Regina Margherita und Martinelli, „um authentische italienische Küche zu präsentieren“. Was nicht heißt, dass der 60-Jährige nicht von einem Lokal am Wasser träumen würde. Am liebsten an der Amalfi-Küste, „aber dafür ist Italien zu fragil“. Oder auch am Donaukanal. Lido Italia heißt das Konzept, das er bei einer Ausschreibung für den Bereich der Franzensbrücke eingereicht hat, eine Entscheidung ist ausständig.
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